Koboldland

Der neue Mitbewohner
Eine Hase & Drache-Geschichte von Simon Heese

Der Hase hatte Hunger und wollte Karottensuppe kochen. Er setzte den Topf mit Wasser auf den Herd und fing an Karotten zu schnibbeln. „Willst du auch was? Dann mache ich mehr“, fragte er den Drachen. Natürlich wollte der Drache auch was. „Du kannst noch ein paar Kräuter aus dem Garten holen“, schlug ihm der Hase vor. „Mach’ ich, Hase.“ Der Drache ging Kräuter holen und der Hase gab die Karotten in den Topf. Dann fügte er schon etwas Salz hinzu und rührte um. Halt Moment, er wollte umrühren, aber wo war der Kochlöffel? Der Hase suchte in der Schublade. Kein Löffel da. In der Spüle. Nichts. Hatte der Drache vielleicht den Löffel in den Kühlschrank gelegt? Manchmal war der ja wirklich schusselig. Nein, da war er auch nicht. „Hast du den Kochlöffel gesehen?“, fragte der Hase den Drachen, der mit der Hand voll Kräuter gerade wieder reinkam. „Nein, ist er nicht an seinem Platz?“

„Ist er nicht. Und in der Schublade, im Schrank und der Spüle ist er auch nicht. Ich hab sogar im Kühlschrank nachgeschaut.“, der Hase zuckte ratlos mit den Schultern.

„Wieso hast du ihn im Kühlschrank gesucht?“, fragte der Drache und ahnte schon warum.

Der Hase war etwas verlegen, weil er den Drachen verdächtigt hatte, den Kochlöffel in den Kühlschrank gelegt zu haben: „Es hätte ja sein können, dass jemand ihn aus Versehen da reingelegt hatte. So was kommt vor, ist ja nicht schlimm.“ Der Drache lachte: „Dann schau’ ich vielleicht noch auf dem Klo nach.“ „Jetzt sei nicht albern, das wäre wirklich eklig. Entschuldigung.“

Der Drache half dann auch suchen, aber ohne Erfolg, er war einfach weg. „Wenn wir ihn nicht finden, kann ich keine Suppe kochen. Die brennt doch sonst an, wenn man nicht umrühren kann“, sagte der Hase enttäuscht. Aber der Drache wollte nicht so einfach aufgeben, denn er hatte wirklich Hunger. „Dann muss ich uns schnell einen neuen schnitzen“, sagte er. Er hatte sich schon so sehr auf die Suppe gefreut. „Haben wir noch Holz da?“

Der Hase schaute nach, aber das Holz war alle. „Haben wir das alles beim letzten Ausflug mit der Rakete verbraucht?“, fragte er ungläubig den Drachen. Der war sich auch nicht sicher: „Ist möglich, wäre aber komisch. Ich achte eigentlich immer darauf, dass wir nicht alles aufbrauchen. Kann ja sein, dass man noch einen Umweg fliegen will. Wäre echt blöd, wenn dann unterwegs der Treibstoff ausgeht.“ Der Drache war da wirklich umsichtig. Das gefiel dem Hasen an ihm: auch wenn er etwas vergesslich war, im Allgemeinen war auf den Drachen immer Verlass.

„Wenn kein Holz mehr da ist, muss ich neues holen“, sagte der Drache und ging wieder zur Tür. Er war schon fast draußen, da rief ihm der Hase hinterher: „Du hast was vergessen, Drache!“ „Oh, natürlich“, lachte der Drache, „die Axt! … wo ist sie?“ Die Axt stand nicht neben der Tür, wo sie immer stand. Dem Hasen kam das langsam komisch vor: „Ist die vielleicht mit dem Löffel abgehauen?“ Der Drache schüttelt den Kopf: „Nein“, da war er sehr sicher, „unsere Sachen sind ja nicht verzaubert. Da bin ich altmodisch. Du weißt doch, wie viel Ärger der Zauberer mit seinem Kram immer hat. Stell dir mal vor, du hast einen Kochlöffel und der liebt es in Matschepfützen zu springen. Willst du mit einem total matschigen Kochlöffel deine Suppe umrühren?“ Das wollte der Hase natürlich nicht und war deswegen auch froh, dass sie keine verzauberten Sachen hatten. Außerdem konnte der Drache echt gut schnitzen und sie hatten wirklich hübsche Werkzeuge, ganz ohne Magie.

„Also ohne Holz und ohne Axt wird es schwierig“, sagte der Drache. Der Hase runzelte die Stirn: „Mir kommt das komisch vor. Erst verschwindet der Kochlöffel, dann ist kein Holz mehr da und die Axt ist auch noch weg. Was denkst du, Drache?“ Dem Drachen kam das auch komisch vor: „Vielleicht sollten wir einmal nachsehen, was sonst noch fehlt.“ Das war eine gute Idee.


Die beiden schauten also gründlich nach, was sonst noch fehlte. Der Hase fing in der Küche an und der Drache im Bad. In der Besteckschublade fehlte so einiges: von den sechs Löffeln waren nur noch fünf da. Bei den Gabeln fehlten zwei und die Messer waren sogar alle weg. „Also beim Besteck fehlt auf jeden Fall was!“, rief der Hase dem Drachen zu. „Ja, im Bad auch. Die Zahnpasta ist weg, dein Handtuch fehlt und Klopapier ist auch alle“, rief er aus dem Badezimmer zurück. Der Hase ging ins Schlafzimmer und überprüfte den Kleiderschrank. „Sag mal, deine Badehose ist nicht da“, stellte der Hase fest. Der Drache lachte: „Nein, die hab ich das letzte Mal im Schwimmbad vergessen.“ War ja klar. Der Drache mochte auch eigentlich keine Badehose anziehen. Der Hase war nicht sicher, ob er sie deswegen vielleicht ein klein wenig absichtlich ständig vergaß. „Die Autoschlüssel sind auch weg“, rief der Drache aus dem Wohnzimmer. „Wir haben doch gar kein Auto“, sagte der Hase schnell, bevor die lila Metakatze wieder anfing zu heulen.[1] „Ach stimmt. Was ist mit deinen Schuhen?“, fragte der Drache weiter. Der Hase kicherte: „Jetzt hör auf du Spaßvogel, ich hab auch keine Schuhe.“ Die lila Katze hatte schon wieder Luft geholt, um was zu sagen. Der Hase ging zurück ins Wohnzimmer zum Drachen. „Hier, ich hab die Fernbedienung vom Fernseher im Kleiderschrank gefunden“, sagte er. Der Drache wunderte sich: „Was macht die denn im Kleiderschrank?“ Der Hase schüttelte ratlos den Kopf: „Ich hab keine Ahnung. Ein paar Socken scheinen auch zu fehlen. Wie sieht es im Wohnzimmer aus?“ Der Drache schaute etwas betreten: „Ja, hier fehlt auch was und du musst jetzt echt tapfer sein … dein Lieblingskissen ist weg.“ Das war hart. Das Lieblingskissen vom Hasen war nämlich das beste Kissen auf der Welt. Es machte die Couch erst so richtig gemütlich und kuschelig. Der Hase wurde sauer: „Jetzt reicht es! Ich ruf die Polizei!“

Die Polizei kam und hörte sich die Geschichte vom Hasen und Drachen an. „Es sieht so aus, als wären sie beklaut worden“, stellte der Polizist fest. „Bitte sagen sie uns genau, was alles fehlt. Dann mache ich die Anzeige fertig.“ „Werden sie den Dieb denn schnell fangen und bekommen wir unsere Sachen auch wieder zurück?“, fragte der Hase besorgt, weil sein Lieblingskissen vermisste er schon jetzt sehr. „Nein, tut mir leid“, antwortete der Polizist, „Diebe sind schlau. Vermutlich sind die schon über die Grenze und haben die Sachen verkauft.“ Das war schlimm. Der Hase musste fast weinen und der Drache tröstete ihn: „Komm, wir essen jetzt erst einmal eine Stulle. Ich weiß, du liebst das Kissen, aber wir finden bestimmt eines, das auch kuschelig ist, okay?“ Der Polizist schrieb noch alles auf, dann verabschiedeten sie ihn und gingen in die Küche, was essen.


Am nächsten Morgen war die Welt wieder etwas besser. Der Hase hatte zwar unruhig geschlafen und von Dieben geträumt, aber weil Wochenende war, konnte er ausschlafen und das hilft immer. „Guten Morgen, Drache“, sagte er. „Guten Morgen, Hase, hast du gut geschlafen?“, fragte der Drache aus der Küche. „Ging so, hab schlecht geträumt. Machst du schon Tee?“ „Ja, ist gleich fertig. Kannst dich schon an den Tisch setzen. Ich hab auch Brot und Marmelade.“ Der Hase wollte sich an den Frühstückstisch setzen … und wäre fast auf den Po gefallen!

„Drache! Die Stühle sind alle weg!!!“, rief der Hase. „Was?“, der Drache schaute durch die Küchentür. Tatsache, alle Stühle, einfach verschwunden. „Die waren doch eben noch da?!?“, wunderte sich der Drache und schaute nach der lila Metakatze.[2] Aber die war auch nicht da. „Das kommt mir allmählich wirklich sehr komisch vor“, sagte der Hase beunruhigt. „Mir auch“, stimmte der Drache zu, „und so langsam habe ich einen Verdacht.“ „Was denn?“, wollte der Hase wissen. Der Drache machte ein geheimnisvolles Gesicht: „Will ich noch nicht sagen. Aber mach dir keine Sorgen, ich glaub’, ich weiß, was zu tun ist.“ Der Hase schaute ihn fragend an, doch der Drache sagte nur: „Ich geh jetzt erst einmal … aufs Klo. Okay?“ Das klang irgendwie komisch. „Gut, wenn du musst ...“ Der Hase wusste nicht, was er sagen sollte.

Der Drache ging raus und verschwand im Klohäuschen. Es dauerte ziemlich lange, bis er wieder zurückkam. „So, erledigt“, sagte er zufrieden. „War es denn schön?“, lachte der Hase. „Was? Achso, das Klo … äh, ja, war gut.“ Der Drache verhielt sich ziemlich seltsam. „Jetzt aber erst mal Frühstück. Ich verhungere sonst. Wir können uns ja auf den Boden setzen.“ Der Vorschlag gefiel dem Hasen: „Gute Idee, wir machen einfach Picknick im Wohnzimmer.“ Leider fanden sie ihre Decke nicht. Die war auch verschwunden.

Dann klingelte es: „Ding Dong.“ Es war das Einhorn. „Hallo“, sagte es fröhlich, „ich dachte, ich schau’ mal vorbei. Ganz zufällig.“ Dabei zwinkerte es mit einem Auge dem Drachen zu. „Schön, dass du … alleine … vorbeigekommen bist“, sagte der Drache und zwinkerte dem Einhorn zurück. „Komm doch kurz rein.“ Der Drache hielt die Tür weit auf und ließ das Einhorn in die Wohnung. „Na, alles klar bei euch?“, erkundigte sich das Einhorn. „Ne, leider nicht“, antwortete der Hase unglücklich, „wir werden bestohlen! Unsere Stühle sind gerade eben verschwunden und gestern wurde mein Lieblingskissen und der Kochlöffel und noch andere Sachen geklaut.“ „Das ist ja schrecklich“, sagte das Einhorn, wobei es übertrieben überrascht schaute und wieder dem Drachen zuzwinkerte. „Wie wäre es, wenn wir etwas spazieren gehen? Das lenkt euch etwas ab“, schlug es vor. Der Hase fand, dass das keine gute Idee war: „Hörst du nicht zu? Wir wurden gerade eben direkt unter unserer Nase beklaut! Schon wieder!“ Aber überraschenderweise stimmte der Drache dem Einhorn zu: „Also ich finde, das ist eine tolle Idee, Einhorn. Komm, Hase, wir machen einen kleinen Spaziergang. Die Sonne wird dir bestimmt guttun. Ich kann dich gar nicht so unglücklich sehen.“ zwinker, zwinker. Das kam dem Hasen alles sehr komisch vor mit dem Gezwinkere und wie sich der Drache und das Einhorn verhielten, aber er ließ sich überreden. Also gingen die drei raus, einen Spaziergang machen.


Sie waren noch keine zwei Minuten weg, da tauchte in der Wohnung ein kleines Männchen auf. Nicht ganz so klein wie eine Maus, eher wie eine kleine Katze. Oder ein sehr kleiner Hund. Es sah aber mehr aus wie ein Gartenzwerg, der einen grünen Umhang anhatte und einen spitzen Hut auf dem Kopf trug. Der Hut hatte vermutlich den Zweck größer zu wirken, aber er unterstrich eher die Gartenzwerg-Optik. Das Männchen kicherte: „Hihihi, die Stühle finden die niemals! Mal schauen, was verstecke ich als nächstes? Vielleicht ihre Zahnbürsten?“ Nein, das wäre nicht schlau, überlegte sich das Männchen. Wenn sie ihre Zähne nicht mehr putzen können, kommt noch der Zahnteufel vorbei. Das wollte das Männchen nicht, denn der Zahnteufel war ein Konkurrent, dem man besser aus dem Weg ging. Also versteckte es stattdessen lieber die Seife. Dann ging es wieder ins Wohnzimmer und sah sich um. Vielleicht die Gießkanne für die Blumen? Das war eine gute Idee. Dann mussten der Hase und der Drache halt ein Glas nehmen zum Gießen. Die Pflanzen sollten ja nicht vertrocknen müssen. Das Männchen mochte nämlich Blumen. Es liebte es aber auch, andere zu ärgern. Deswegen versteckte es die Gießkanne im Backofen. Wo es schon in der Küche war, holte es auch den Kochlöffel wieder hinter dem Toaster hervor – da hatte der Hase natürlich nicht nachgeschaut. Jetzt versteckte es ihn im Kleiderschrank unter den einzelnen Socken. Es war wichtig, die Sachen nicht zu lange im gleichen Versteck zu lassen. Am besten wartete man, bis die Leute wo gesucht hatten und versteckte die Sache dann genau dort, wo sie schon nachgesehen hatten. Wenn man geschickt war, konnte man so Dinge über Wochen und Monate verstecken, ohne dass sie gefunden wurden. Und das Männchen war sehr geschickt.

Zufrieden mit dem neuen Löffelversteck schlenderte es ins Wohnzimmer. Es wollte gerade das Lieblingskissen vom Hasen umverstecken, als es gepackt wurde. „He! Was … ?!?“, rief es überrascht. Jemand hatte es einfach geschnappt und hielt es jetzt mit schuppigen Händen so richtig fest. „Da haben wir dich ja“, sagte der Schattendrache triumphierend. Das Männchen war komplett überrumpelt: „Wo kommst du denn her? Wer bist du?!?“ „Ich bin der Schattendrache. Hast mich wohl nicht gesehen, was? Sei nicht traurig, das passiert den meisten mit mir. Ich versteck’ mich halt gerne im Schatten“, sagte der Schattendrache kichernd. „So, ich muss mal kurz telefonieren.“ Er fischte mit einer Hand nach dem Telefon, während die andere Hand weiter die kleine Gestalt umklammerte. „Hi, ich bin’s … ja, du hattest recht … mhm, ja, ich hab ihn gefangen. Ihr könnt wieder reinkommen.“ Dann legte er auf. „Du hast Glück, dass der Drache mich gerufen hat und nicht den Zauberer. Ich hab Verständnis für dich, weil ich weiß, wie schön es ist, wenn man versteckt ist. Verstecken ist eben unsere Natur, da sollte man nicht gegen ankämpfen“, sagte der Schattendrache zum Männchen. Das hatte inzwischen aufgegeben, zu zappeln. Auch wenn man den Schattendrachen kaum sehen konnte und er wirklich sehr dünn war, er war trotzdem stark wie ein Drache. Da war nichts zu machen, wenn er einen festhielt. Besonders, wenn man so klein war, wie das Männchen.


Es dauerte nicht lange, da kamen der Drache, der Hase und das Einhorn wieder zurück. Der Drache grinste zufrieden: „Ich hab also richtig geraten: Wir haben einen Kobold im Haus!“ Der Hase schaute ungläubig: „Einen Kobold? Ich dachte, die gibt es in echt gar nicht.“ „Doch, die gibt es“, sagte das Einhorn, „wieso sollte es die nicht geben?“ „Und was machen wir jetzt?“, wollte der Hase wissen. Der Drache überlegte kurz. „Wir könnten ihn an eine kleine Rakete binden und nach Amerika schießen“, schlug er dann vor. „Das macht ihr bitte nicht!“ Die rote Metakatze,[3] klang so streng wie Eltern, die ihren Kindern sagen, sie sollen keine Seife essen. „Okay, okay“, sagte der Drache schnell beschwichtigend, „war nur eine Idee … äh, ein Witz! War nur ein Witz.“ Die Metakatze sah ihn ernst an. Sie fand das gar nicht witzig. „Vielleicht sollten wir den Zauberer anrufen? Der hat in seinen schlauen Büchern bestimmt eine Lösung“, schlug der Hase vor. „Aber nur, wenn ich mithören darf“, sagte die rote Metakatze. Sie kannte die Methoden des Zauberers. Das ist nichts für kleine Kinder. Der Drache fand die Idee gut: „Okay, ich rufe ihn an.“

Zum Glück war der Zauberer zu Hause. Der Drache erklärte ihm die Situation und der Zauberer schaute in seinem Buch „Alles, was ein Zauberer wissen muss, wenn er angerufen und um Rat gebeten wird“ nach. In dem stand sehr viel drin, was man mit Kobolden im Haus machen kann. „Ja … verstehe …“, sagte der Drache am Telefon. „Nein … das geht nicht!“, warf die Metakatze ein, „… das auch nicht … um Himmelswillen, das steht in deinem Buch?!? Ganz ausgeschlossen!“ So ging es eine Weile. Der Zauberer musste sogar noch ein anderes Buch holen: „Lösungen für Nichtmagier – Vegan und Woke“. Dort fand er dann eine Lösung, die für die Metakatze akzeptabel war. „Gut“, sagte sie erleichtert, „das geht natürlich.“ Auch der Drache war erleichtert. Ihm hatten die anderen Lösungen eigentlich auch alle gefallen. Aber wenn die Metakatze „nein“ sagt, gibt es keine Widerrede. Er bedankte sich beim Zauberer für die Hilfe und legte auf. „Wir wissen jetzt, was wir machen müssen“, verkündete er. „Wir binden ihn an eine Rakete und schießen ihn nach Amerika!“ Die Metakatze wurde noch etwas roter: „WAS?!? NIEMALS!!!“ Der Drache lachte: „War nur ein Spaß. Nein, keine Rakete. Hatte ich etwa ‚abschießen‘ gesagt? Ich meinte natürlich ‚abschließen‘ … denn wir machen einen Koboldvertrag!“ „Was ist ein Koboldvertrag?“, fragte der Hase. „Das ist ein spezieller Vertrag, den man mit Kobolden abschließen kann. In dem ist dann geregelt, was geht und was nicht. So was wie eine Hausordnung, aber nach den Koboldgesetzen, also viel krasser.“ Der Hase war beeindruckt: „Hui, zum Glück haben wir den Zauberer angerufen und nicht die Hexe.“ Der Schattendrache grinste und fügte hinzu: „Der Kobold hat Glück, dass ihn nicht der Zauberer selbst gefangen hat.“

Also setzten sie einen Vertrag auf. In dem stand, dass der Kobold beim Hasen und Drachen wohnen durfte. Allerdings durfte er nur eine Sache am Tag verstecken und auch nur für zwei Stunden. Wenn der Hase und der Drache die Sache dann nicht gefunden hatten, musste er ihnen verraten, wo sie war. Außerdem gab es eine Notfall-Regelung: Wenn was gerade so richtig wichtig und dringend war, wie zum Beispiel der Kochlöffel, wenn der Hase Hunger hatte, dann musste das Versteck sofort verraten werden. Dafür sollte der Kobold sein eigenes kleines Bett bekommen. „Schreib noch auf, dass er beim Putzen helfen muss und zweimal die Woche mit Müll runterbringen dran ist“, schlug der Hase vor. „Ja, und dein Lieblingskissen und die Axt sind tabu. Die dürfen nie versteckt werden.“ Der Schattendrache hatte auch noch einen Wunsch: „Könnt ihr noch reinschreiben, dass er nichts im Schatten verstecken darf? Das ist nämlich mein Ding, da will ich keine Konkurrenz.“ „Würde ich sowieso nie machen“, mischte sich der Kobold in die Diskussion ein. „Aber wie wäre es, wenn wir uns einmal die Woche treffen und uns gegenseitig die besten Verstecke zeigen? So ein bisschen fachlicher Austausch, wäre doch super, oder?“ Die Idee gefiel dem Schattendrachen, also schrieben sie das auch in den Vertrag. Als schließlich alle zufrieden waren, musste der Kobold nur noch unterschreiben. Das Einhorn war offizieller Zeuge und sprenkelte am Ende noch etwas Einhorn-Glitzer auf das Papier. Jetzt war es ein richtiger Koboldvertrag.

Alle waren erleichtert, dass sie eine so gute Lösung gefunden hatten. Das Einhorn zauberte sogar einen Kuchen für alle. Das war auch gut, denn der Hase war nicht der einzige, der schon wieder richtig Hunger hatte. „Wir können aber nicht nur Kuchen essen“, sagte er mit vollem Mund. „Ich koche jetzt endlich die Karottensuppe.“ Darauf grinste der Kobold schelmisch: „Dazu müsst ihr aber erst einmal den Kochlöffel finden ...“

Anmerkungen

  1. Metakatzen passen auf die Geschichten auf. Die lila Metakatze war dafür zuständig, dass alles stimmt und nicht Sachen auf einmal anders sind, als vorher. Man kann in einer Geschichte ja nicht einfach so sagen, dass jemand ein Auto hat, wenn der vorher noch keins hatte. Der Hase wusste zwar nicht, wieso die Metakatzen der Meinung waren, sie wären Teil einer Geschichte, aber wusste schon, was die lila Metakatze zum Weinen brachte. Und er wollte nicht, dass sie wieder weinte.
  2. Es hätte ja sein können, dass der Drache und der Hase noch nie Stühle gehabt hatten. Aber das wäre total albern. Das war auch dem Drachen klar, aber wenn die Stühle in echt verschwunden waren, war das sogar noch beunruhigender, als wenn sie einfach noch nie welche gehabt hatten.
  3. Die rote Metakatze passt bekanntlich auf, dass die Geschichte nicht zu brutal für kleine Kinder wird. Und jemanden an eine Rakete gebunden weg zuschießen, ist definitiv zu brutal. So was macht man einfach nicht.