Koboldland

Die Rakete
Eine Hase & Drache-Geschichte von Simon Heese

Der Hase stocherte lustlos in seinem Frühstück herum. „Was ist los, Hase?“, fragte ihn der Drache besorgt. Der Hase schaute ihn müde an: „Mir ist total langweilig.“ „Wieso das denn?“, wollte der Drache wissen. Der Hase seufzte. „Wir machen doch jeden Tag das gleiche und gehen immer zu denselben Orten. Nie ist was anders ...“ Das stimmte irgendwie. Manchmal gingen sie zwar auch einkaufen oder die Hexe besuchen, aber wirklich neues sahen sie nie. „Du hast recht“, gab der Drache zu. „Wir sollten echt mal was anderes sehen. Ich hole das Fahrrad! Wo wollen wir hinfahren?“ Der Hase schaute wenig begeistert. „Mit dem Fahrrad kommen wir doch gar nicht weit“, sagte er mit hängenden Ohren, „das bringt doch nichts.“ „Ach Hase, jetzt sei doch nicht so traurig“, versuchte ihn der Drache aufzumuntern. Er nahm ihn in den Arm und drückte ihn vorsichtig. „Wenn wir mit dem Fahrrad nicht weit genug kommen, um was wirklich Neues zu sehen, dann brauchen wir eben ein anderes Fahrzeug.“ Der Hase schaute zu ihm hoch. „Und was für eines?“ Der Drache musste nachdenken: „Hm, lass mich überlegen … wie wäre es … mit einer Rakete?“ … Eine Rakete … der Hase überlegte. Er stellte sich vor, wie sie durch den Himmel sausten und entfernte Länder besuchten, vielleicht sogar fremde Planeten. Seine Augen fingen wieder an zu leuchten. „Au ja, eine Rakete wäre klasse!“, sagte er begeistert. Der Drache war froh, dass er etwas gefunden hatte, was die Laune des Hasen wieder besserte. „Gut, dann bauen wir uns eine Rakete!“

Das war leichter gesagt als getan. Immerhin ist eine Rakete zu bauen eine Wissenschaft für sich. Das macht man nicht einfach mal so und das kann auch nicht jeder. Zum Glück war der Drache ein richtiger Baumeister, der wirklich alles bauen konnte. Um eine Rakete zu bauen, musste aber sogar er erst einmal einen richtigen Plan machen. „Wir brauchen ein großes Blatt Papier, ein Lineal und einen Bleistift“, sagte er zum Hasen. „Alles klar!“ Der Hase holte ein richtig großes Blatt Papier, sein Häschen-Lineal und spitzte einen Bleistift an. „Hier, Drache, jetzt können wir loslegen.“

„Gut“, sagte der Drache konzentriert und setzte seine Lesebrille auf, „erst machen wir eine Liste, was die Rakete alles haben muss.“ „Fenster!“, sagte der Hase, „damit wir immer rausgucken können, wo wir hin fliegen. Sonst verpassen wir ja die ganzen spannenden neuen Orte!“ „Okay, Fenster. Was noch?“ Der Hase musste nicht lange überlegen: „Ein Schlafzimmer, eine Küche und eine gemütliche Couch!“ Das überraschte den Drachen dann doch. „Wieso das denn?“, fragte er irritiert. „Na ist doch klar“, lachte der Hase, „wenn wir so richtig weit weg fliegen, sind wir doch abends nicht wieder zu Hause. Also brauchen wir was, wo wir schlafen, essen und es uns gemütlich machen können.“ Das leuchtete dem Drachen natürlich ein, hätte er auch selbst drauf kommen können. Also schrieb er auf: Fenster, Schlafzimmer, Küche, Couch ...

„Was ist mit einem Badezimmer?“, fragte er. Der Hase schüttelte den Kopf: „Brauchen wir nicht unbedingt. Astronauten waschen sich eh nur mit einem Waschlappen. Habe ich gelesen. Weißt du, sonst fliegt das Wasser nämlich überall rum. Das ist gefährlich.“ Der Drache war nicht ganz überzeugt. „Dann brauchen wir aber einen Luftfilter, sonst stinkt es in der Rakete, wenn wir uns nicht richtig waschen.“ Luftfilter war okay für den Hasen. „Außerdem braucht eine Rakete einen Antrieb, Treibstoff und eine Steuerung“, sagte der Drache fachmännisch. Er kannte sich wirklich mit so was aus. „Brauchen wir auch Flügel?“, fragte ihn der Hase. Der Drache schüttelte den Kopf. „Nein, es ist ja kein Flugzeug. Aber wir brauchen Steuerdüsen und ein Gyroskop. Sonst eiern wir nur herum und stürzen ab.“ Die Vorstellung gefiel dem Hasen nicht so gut. „Dann brauchen wir auch Fallschirme“, sagte er schnell, „und eine Rettungskapsel.“ Sicherheit geht vor, das sah der Drache ein, also schrieb er alles auf.

„Woher wissen wir, wo wir lang fliegen müssen?“, fragte der Hase. „Hm, am besten, wir bauen ein Navigationssystem ein“, brummte der Drache, der noch über die Steuerung nachdachte. Der Hase war begeistert: „Darf ich dann der Navigator sein?“

„Klar. Bist du ja auch, wenn wir mit dem Fahrrad unterwegs sind“, sagte der Drache. Das stimmte. Und der Hase war ein sehr guter Navigator, sie verfuhren sich so gut wie nie.

Dem Hasen kam noch eine Idee: „Wie lenkt man eine Rakete? Brauchen wir ein Lenkrad?“

Der Drache nickte. „Können wir machen. Oder einen Steuerknüppel. Ich denke, wir bauen am besten ein komplettes Cockpit, mit vielen Knöpfen und Monitoren und so.“ Ein ganzes komplettes Cockpit … das fand der Hase super. „Ich erfinde das Cockpit, okay?“, sagte er und holte noch ein Blatt Papier und sehr viele Buntstifte für seinen Plan.

Und so planten die beiden ihre Rakete. Der Drache übernahm den Antrieb und die Steuerung und der Hase zeichnete das Cockpit. Am Abend waren sie fertig. „Gut“, sagte der Drache, „wir brauchen ziemlich viele Sachen. Das wird ganz schön lange dauern, alles zu bauen.“ Der Hase war ungeduldig, er wollte am liebsten schon morgen losfliegen. Zum Glück hatte er auch direkt eine großartige Idee: „Wie wäre es, wenn wir unser Baumhaus einfach umbauen? Ein Schlafzimmer, eine Küche und eine Couch haben wir ja schon. Wir haben sogar ein Bad, auch wenn wir uns mit einem Seiflappen waschen. Dann können wir da wenigstens die Zähne putzen.“ Der Drache dachte nach. „Ja, das würde uns ganz schön Zeit sparen,“ sagte er dann. „Außerdem hätten wir schon eine Hülle und Fenster auch. Wir müssten nur die Wohnungstür um eine zweite Tür ergänzen, damit wir eine Luftschleuse haben.“ Dem Drachen gefiel die Idee des Hasen tatsächlich immer besser. „Weißt du was, Hase? Wir könnten sogar unseren Ofen benutzen als Antrieb. Ich dachte erst an flüssigen Raketentreibstoff, aber wenn ich drüber nachdenke, wäre ein Holzofen viel praktischer. So können wir immer neuen Treibstoff sammeln, wo es Bäume gibt. Also fast überall.“ „Super Idee“, sagte der Hase, „ist ja nicht so, als gäbe es an jeder Ecke eine Tankstelle für Raketen, oder?“ Das war also beschlossen – die Rakete würden sie mit ihrem alten Holzofen antreiben.

Da die Frage nach dem Antrieb geklärt und der Drache mit seinem Plan der Steuerung jetzt auch zufrieden war, blieb nur noch eine Sache zu besprechen: „Zeig mal deine Zeichnung für das Cockpit“, sagte der Drache zum Hasen. Ihr müsst wissen, dass sich der Hase wirklich sehr viel Mühe gemacht und jede Menge Knöpfe, Hebel und Monitore gemalt hatte – also wirklich viele, in noch mehr Farben.[1] „Schaut gut aus“, der Drache war beeindruckt. „Könnte aber sein, dass es schwierig wird rosa Knöpfe zu bekommen. Vielleicht müssen wir stattdessen weiße nehmen.“ Der Hase war sichtlich enttäuscht: „Aber ich mag Rosa lieber.“ „Wir können ja weiße nehmen und sie dünn mit rosa Farbe anmalen“, schlug der Drache vor. Das war für den Hasen in Ordnung. Also machte der Drache eine Liste, welche Teile sie noch alles besorgen mussten. Für die Liste brauchten sie ein weiteres großes Blatt. Auf das schrieb der Drache alles auf und machte neben jedes Teil ein kleines leeres Viereck. „Da können wir dann abhaken, was wir schon haben“, erklärte er dem Hasen, „sonst vergessen wir die Hälfte oder besorgen was doppelt.“ Dem Hasen war das gleich, Hauptsache sein Cockpit hatte am Ende ganz viele Knöpfe, auch welche, die rosa waren. Als der Drache die Besorgungsliste fertig geschrieben hatte, war es draußen schon dunkel geworden. Also aßen die beiden noch schnell eine Stulle, putzen die Zähne und gingen ins Bett. Der Hase träumte in der Nacht schon davon, wie sie mit ihrer Rakete zu fernen Ländern und fremden Planeten fliegen würden. Mit lustigen Außerirdischen und bunten Dinosauriern. Richtig aufregend und gar nicht langweilig.


Nach dem Frühstück holte der Drache erst einmal den Fahrradanhänger aus dem Keller. Es war nämlich klar, dass nicht alles in seinen Rucksack passen würde, der schon halb voll mit Plänen und Besorgungsliste war. Vor Aufregung hatte der Hase kaum was essen können. Stattdessen hatte er noch auf einem Zusatzblatt das Design des Navigationssystems verfeinert. „Wir brauchen noch drei weitere Monitore und lila Schalter“, sagte er zum Drachen. „Gut, ich schreib’ das noch auf die Liste. Aber es reicht dann auch, sonst passt das alles nicht mehr in unsere Wohnung“, gab er zu bedenken. Er kannte seinen Freund gut genug, um zu wissen, dass er es manchmal übertrieb.

Sie mussten ziemlich weit fahren, denn der Schrottplatz befand sich am Rand des Waldes. Der Drache war ein großer Recyclingfan, müsst ihr wissen. Für die Umwelt war es gut, wenn man alten Elektroschrott wiederverwendete, günstiger war es auch, aber vor allem mochte der Drache den Retrolook von alten Bauteilen. „Weißt du, wenn man so einen alten Schalter drückt, der so richtig solide gebaut ist, macht das einfach was her. Viel besser, als diese modernen Touchscreens“, sagte er zum Hasen. Das fand der Hase aber auch. Ganz besonders, wenn manche von den Schaltern dann rosa waren.

Als sie beim Schrottplatz angekommen waren, begrüßten sie erst einmal die alte Hilde. Die alte Hilde war die Schrotthändlerin und quasi eine Freundin des Drachen, weil sie liebte auch alte Sachen viel mehr als neue. Die alte Hilde schaute nicht schlecht, als sie ihr erzählten, dass sie ihr Baumhaus zu einer Rakete umbauen wollten. Aber als der Drache ihr dann ihre Pläne zeigte, nickte sie anerkennend. „Das ist ein wirklich guter Plan“, gab sie zu, „ihr habt ja tatsächlich an alles gedacht. Wird nicht einfach, besonders das Cockpit. Rosa Knöpfe sind seltener als Diamanten.“ Sie sah, wie der Hase gleich wieder die Ohren etwas hängen ließ. Deswegen fügte sie schnell hinzu: „Aber, die alte Hilde ist bekanntlich die größte Schatzsammlerin der ganzen Welt! Und ihr werdet es nicht glauben – ich habe welche da. Also rosa Knöpfe, keine Diamanten.“ Der Hase konnte sein Glück kaum fassen: „Echt jetzt?“ „Ja“, sagte die alte Hilde, „wir müssen sie nur finden.“

Das war leichter gesagt als getan. Der Schrottplatz war groß und Hildes Sortiersystem war eher eine Kunst, als ein System. Das macht ja den Reiz aus, wie sie gerne ihren Kunden erklärte. Wenn man genau weiß, wo alles ist, dann hat man gar kein Erfolgserlebnis, wenn man etwas findet. Und so war es keine Überraschung, dass der Drache und der Hase stundenlang den Schrottplatz durchstöberten und immer wieder riefen: „Hey, wow, das ist ja cool!“ oder „Ich hab noch ein paar lilane gefunden!“ Nach und nach konnten sie so immer mehr Teile auf der Liste abhaken, während der Fahrradanhänger immer voller wurde.

Sie brauchten fast den ganzen Tag, bis schließlich der Drache rief: „Das war das letzte Teil!“ Er konnte es selbst kaum glauben. „Junge, Junge“, sagte die alte Hilde beeindruckt. Es war eine Sache, den ganzen alten Schrott zu sammeln, da war sie die Meisterin, keine Frage. Aber in ihrer Schrottsammlung genau alle Teile zu finden, die man brauchte, das war eine ganz andere Sache. Sie machte dem Drachen einen super Preis und sie tranken noch einen Tee zusammen, so viel Zeit muss sein. Dann verabschiedeten sich der Hase und der Drache und die alte Hilde wünschte ihnen viel Erfolg mit der Rakete.

Als sie zu Hause ankamen, war es schon wieder dunkel geworden. „Lass uns wenigstens die Schalter noch sortieren“, bettelte der Hase. Er konnte es nicht erwarten, seinen Plan für das Cockpit umzusetzen. „Na gut, aber nur die Knöpfe. Der Rest muss bis morgen warten. Ich bin schon hundemüde“, sagte der Drache. Also sortierten sie die Knöpfe, sowohl nach Größe, als auch nach Farbe. Das war das Tolle an Schrottplatz-Teilen: so viele verschiedene Farben bekam man nicht, wenn man sich einfach neue Teile bestellte. Vor allem auch, weil bei alten Teilen kein Teil mehr aussah wie das andere, sogar wenn sie neu einmal die gleiche Farbe gehabt hatten. Manche waren abgewetzt, andere vergilbt, bemalt, beklebt oder jemand hatte aus Versehen seinen Kaffee darauf geschüttet. Der Drache nannte das dann „Patina“. Das ist, wenn etwas dreckig ist, aber man das gut findet, weil man daran erkennt, dass ein Teil aus der guten alten Zeit stammt, in der noch alles solide für die Ewigkeit gebaut worden war.


Am nächsten Morgen schlang der Hase sein Frühstück so schnell er konnte herunter, weil er sofort loslegen wollte. Sie breiteten ihre Pläne auf dem Boden aus und legten alle Teile daneben. „Lass uns mit dem Antrieb und der Steuerung anfangen“, sagte der Drache, „ich weiß, dass du das Cockpit bauen willst, aber wir brauchen zuerst die ganzen Anschlüsse, sonst kommen wir durcheinander.“ Das sah der Hase ein, immerhin war der Drache der Baumeister und wusste, was er tat. Also bauten sie zuerst ihren Holzofen um, so dass er genug Dampf für einen Raketenantrieb hatte. Dann verlegte der Drache Leitungen und Rohre und installierte die Hauptantriebsdüse und die Steuerdüsen rings um das Baumhaus herum. „Das wird die wendigste Rakete der ganzen Welt“, sagte er zufrieden mit seiner Arbeit. „Kann man damit auch um ganz enge Kurven fliegen?“, wollte der Hase wissen. „Denke schon, aber wir sollten sicherheitshalber ein Lenkrad und einen Steuerknüppel einbauen. Wenn die Kurve so richtig eng ist, können wir dann zu zweit lenken.“ Klang gut, Teamarbeit mit dem Drachen mochte der Hase sowieso. Deswegen hatte er das Cockpit auch so entworfen, dass man zu zweit die Rakete steuern konnte.

Nachdem der Antrieb und die Steuerung installiert waren, konnten sie endlich anfangen, die Knöpfe ins Cockpit einzubauen. Weil sonst zu wenig Platz wäre, bauten sie einfach den Couch- und den Küchentisch so um, dass man sie von beiden Seiten benutzen konnte. Eine Seite war weiter ein normaler Tisch. Wenn man ihn aber umdrehte, war auf der Unterseite das Kontrollfeld mit seinen ganzen Tasten, Schaltern, Hebeln und Monitoren. Sehr praktisch, nur konnte man natürlich nicht mehr am Tisch essen, wenn man gerade mit der Rakete flog. „Wenn wir fliegen, essen wir einfach auf unserer Picknickdecke“, sagte der Hase. Er mochte gerne picknicken. Die Vorstellung, mit der Rakete in ferne Länder zu fliegen und dann auch noch auf dem Fußboden zu picknicken, fand er so richtig super. Also bauten sie die Tische um. Es dauerte ziemlich lange, denn es waren wirklich viele Knöpfe in noch mehr Farben.

„Das sieht mega cool aus!“, rief der Hase, als sie fertig waren. „Noch viel besser, als in meinem Entwurf und in meinem Traum!“ Er wollte gerade anfangen, wild auf den Knöpfen herumzudrücken, doch der Drache hielt ihn zum Glück davon ab: „Stopp, pass auf! Ich hab schon alles angeschlossen! Wenn du den falschen Knopf drückst, fliegen wir noch in die Luft oder schlimmeres.“ „Oh, Entschuldigung … du hast ja recht. Welchen Knopf kann man denn jetzt drücken?“ Der Drache überlegte. „Also, du kannst schon das Navigationsgerät einschalten, das ist der Knopf hier auf dem Couchtisch.“ Er zeigte dem Hasen den richtigen Knopf. Der war auch eigentlich gut beschriftet: „Navi aus/ein“ stand darauf … und er war rosa! „Ich habe die rosa Knöpfe extra für das Navigationssystem verwendet“, erklärte der Drache, „weil du bist ja der Navigator.“ Der Hase strahlte überglücklich. Einen Freund wie den Drachen konnte man sich nicht backen.

Es dauerte noch ein paar weitere Stunden, bis der Drache dem Hasen alles erklärt hatte. Dann baute er noch schnell die Rettungskapsel und die Luftschleuse ein, während der Hase mit der Nähmaschine die Fallschirme nähte. Einen roten für den Drachen und einen regenbogenbunten für ihn selbst. Eigentlich brauchte der Drache keinen Fallschirm, weil er hatte ja Flügel, aber der Hase fand, dass es besser wäre, wenn der Drache auch einen Fallschirm hatte. Zum Beispiel, wenn er gerade schlief und sie abspringen mussten, oder so. „Hast du schon dieses Gryodingsbums eingebaut, damit wir nicht eiern?“, fragte er den Drachen. „Du meinst das Gyroskop? Ja, das ist Teil der Steuerung, habe ich schon eingebaut. Es muss aber noch kalibriert werden.“ Der Hase war beeindruckt, was der Drache alles wusste. „Dauert das lange?“ Der Drache schüttelte den Kopf. „Ne, ich stelle es grob ein, die Feinjustierung machen wir dann beim Probeflug.“ Und tatsächlich dauerte es nicht lange, bis der Drache sagte: „Wir sind fertig.“ Der Hase hüpfte vor Aufregung auf und ab: „Echt? Heißt das, es kann losgehen?!?“ „Ja. Wir müssen nur noch überprüfen, dass genug Feuerholz da ist.“ Sie schauten nach und es war genug da.


„Gut, wir machen zuerst einen kleinen Probeflug“, sagte der Drache. „Bist du bereit, Hase?“ Der Hase war so was von bereit. Der Drache überprüfte, dass alle Fenster zu waren und die Luftschleuse dicht. „Navigator Hase, bitte gib einen Kurs für einen Probeflug ein“, sagte der Drache und klang wie ein echter Raketenfahrer. „Wo wollen wir hinfliegen?“, fragte der Hase. Der Drache überlegte. „Wie wäre es mit dem Schrottplatz?“, schlug er vor. „Der ist nicht zu weit weg, aber weit genug, damit ich das Gyroskop einstellen kann. Außerdem, wenn wir merken, dass noch ein Teil fehlt, sind wir schon gleich dort.“ Klang schlau. Also gab der Hase die Koordinaten vom Schrottplatz in das Navigationssystem ein. Mit einem Touchscreen wäre das schneller gegangen, als mit den 42 bunten Knöpfen. Andererseits war es so viel aufregender und auch cooler. „Kurs ist eingegeben“, sagte der Hase, der jetzt auch wie ein richtiger Raumfahrer reden wollte. „Systemchecks sind grün … und gelb, lila und türkis“, sagte der Drache. „Ready für Countdown.“ „Was heißt das?“, fragte der Hase. „Das heißt, dass man rückwärts zählt, bevor die Rakete startet.“ Das war viel besser als Fahrrad fahren. „Ich zähle, okay?“, sagte der Hase: „5,4,3...“ „Warte, man fängt bei 10 an“, unterbrach ihn der Drache. „Oh, echt? Wieso?“ „Keine Ahnung. Ich schätze, damit man genug Zeit hat, um sich vorzubereiten.“ Der Hase verstand nicht, was das sollte. Er war doch jetzt schon bereit. Also zählte er einfach schneller: „10987654321. Los geht‘s!!!“ Und es ging los. Der Drache zündete das Triebwerk. „Voller Schub. Systeme stabil. Wir heben ab“, sagte er fachmännisch. Und die Rakete, die eigentlich ihr Baumhaus war, hob ab.

„Es klappt! Es klappt wirklich! Wir fliiiiegen!!!“, rief der Hase begeistert. Der Drache grinste: „Natürlich, du weißt doch, dass ich der Baumeister bin.“ Das stimmte. Es gab nichts, was der Drache nicht bauen konnte. Die Rakete fing an zu eiern. „Whoa! Wieso drehen wir uns so doll?“, rief der Hase. „Keine Panik“, erwiderte der Drache, „ich muss nur das Gyroskop einstellen.“ Er nahm seinen Hammer und haute schwungvoll auf ein seltsames Teil, bei dem er gestern besonders begeistert „Juchuu!!!“ geschrien hatte, als er es auf dem Schrottplatz fand. Die Rakete hörte sofort auf zu eiern und flog wieder ruhig und gerade. „So, das war‘s schon“, sagte der Drache zufrieden. „Wir müssen uns jetzt für die Landung bereit machen.“ Der Hase war irritiert. „Wie jetzt schon? Wir sind doch gerade losgeflogen?!?“ Der Drache lachte: „Das ist ja das Coole an einer Rakete – man ist ziemlich schnell da, wo man hin will.“ Also landeten sie, keine zwei Minuten nachdem sie losgeflogen waren, auf dem Schrottplatz.

Die alte Hilde schaute nicht schlecht. „Wow, Jungs, das ist ja Mal eine richtig prächtige Rakete!“, sagte sie. Der Drache war sichtlich stolz. „Komm mal rein und schau dir unser Cockpit an“, rief der Hase aus dem Fenster. „Moment, die Luftschleuse muss von innen entriegelt werden“, sagte der Drache und öffnete die Tür für die alte Hilde.

Es dauerte ganz schön lange, bis der Drache und der Hase ihr alles gezeigt hatten. Sie wollte nämlich ganz genau wissen, was sie wie gebaut hatten und welche Knöpfe was machten. Sie hatte sogar ein paar Ideen für kleine Verbesserungen und so bauten sie noch einen zusätzlichen Stabilisator und einen Booster ein, falls sie einmal extra schnell starten mussten. „Man weiß ja nie, was einen erwartet, wenn man auf einem fremden Planeten landet, nicht wahr?“, sagte die alte Hilde. „Au ja, fremde Planeten!“, der Hase konnte es kaum erwarten, den Weltraum zu erkunden. Aber der Drache bremste ihn: „Ganz langsam, wir sollten es nicht überstürzen. Besser, wir fliegen erst einmal etwas auf der Erde herum, bis die Rakete wirklich sicher und zuverlässig ist. Ich will lieber nicht auf einem fremden Planeten landen und dann merken, dass die Hydraulik kaputt ist.“ Das leuchtete auch dem Hasen ein. „Außerdem ist es heute schon wieder spät, lass uns erst einmal wieder heim fliegen und morgen machen wir den ersten Ausflug, okay?“ „Einverstanden,“ sagte der Hase, „aber morgen fliegen wir wo hin, wo wir noch nie waren?“ Der Drache nickte: „Ja, versprochen.“

Anmerkungen

  1. Manche Knöpfe hatte der Hase nämlich zweifarbig gemalt.