Koboldland

Rettet die Zahnbürste
Eine Geschichte mit dem Zauberer und der Prinzessin von Simon Heese

„Heute können wir den ganzen Tag Fernsehen“, sagte der Besen beim Frühstück zum Toaster, „der Zauberer ist bis Übermorgen nicht da.“ „Wo ist er denn hin?“, fragte der Toaster, der sich schon gewundert hatte, warum der Zauberer am Morgen extra viele Brote mitgenommen hatte. „Er ist beim Zaubererkongress, wir können also endlich die Serie mit den Ziegen schauen.“ Auf diese Serie freuten sich alle schon lange. Sie hatten nur gewartet, bis sie die ganzen Staffeln am Stück durchschauen konnten. Besonders die Zahnbürste war schon sehr gespannt, denn sie fand es total witzig, dass Ziegen mit ihrem Bart ein wenig aussahen, wie eine Zahnbürste. Zumindest, wenn man viel Fantasie hat. Die Zahnbürste hatte jedenfalls so richtig viel davon.

Aber Moment, wo war die Zahnbürste eigentlich? Normalerweise war sie immer als Erstes auf, denn der Zauberer putzte sich Morgens nach dem Aufstehen gleich die Zähne.[1] Also eigentlich ging er als allererstes aufs Klo, aber das Klo war nicht mehr verzaubert. Es war früher einmal verzaubert gewesen und zwar so, dass es sich selbst sauber machen konnte. Allerdings redete es auch sehr viel und zwar auf Japanisch. Der Zauberer fand es super nervig, wenn er früh am Morgen noch im Halbschlaf in einer fremden Sprache zugetextet wurde und kein Wort verstand. Also hatte er die Verzauberung wieder aufgelöst und stattdessen dem Besen gesagt, er soll ab jetzt bitte das Klo putzen.[2]

„Die Zahnbürste hab’ ich heute noch nicht gesehen“, sagte der Toaster. Komisch, eigentlich kam sie direkt nach der Arbeit – also dem Zähneputzen – runter in die Küche und trank ein Glas heißes Wasser.[3] „Ich gehe Mal nach ihr schauen“, meinte der Besen und ging nach oben ins Badezimmer.

„Hey, wo bist du, wir wollen gleich mit der Ziegenserie anfangen“, sagte er, als er die Tür aufmachte. Aber die Zahnbürste konnte ihn nicht hören. Sie lag leblos auf dem Boden. „Zahnbürste?“, rief der Besen und lief schnell zu ihr. „Zahnbürste? Was ist los mit dir?“ Er schüttelte seine Freundin, aber sie regte sich nicht. Oh nein! Der Zauber war offenbar erloschen! Aber wieso? Die Zahnbürste war ein wichtiges Mitglied ihrer Familie und Japanisch sprach sie auch nicht. Wie konnte das nur sein? Vorsichtig nahm der Besen sie hoch und ging mit ihr zurück in die Küche.

„Die Zahnbürste ist gestorben“, sagte er zum Toaster und Tränen liefen ihm über die Borsten. „Was? Wieso? Sie ist doch maximal zwei Jahre alt?“, rief der Toaster bestürzt. Alle mochten die Zahnbürste sehr. Sie war immer gut gelaunt und machte viele Witze. „Wir müssen was unternehmen, lass uns den Zauberer anrufen“, schlug der Toaster vor. Also gingen sie runter zum Telefon. „Ruf den Zauberer an, die Zahnbürste muss wiederbelebt werden“, rief der Besen aufgelöst. „Geht nicht“, antwortete das Telefon. „Wieso geht das nicht? Hast du nicht zugehört? Die Zahnbürste lebt nicht mehr!“ Der Besen war wirklich verzweifelt, aber das Telefon konnte nichts machen. „Tut mir leid. Der Zauberer hat gesagt, dass er auf keinen Fall gestört werden will, wenn er beim Kongress ist. Ich kann ihn nicht anrufen. Befehl ist Befehl.“ Das ist das Problem bei verzauberten Gegenständen. Wenn der Zauberer sie so verzaubert, dass sie etwas nicht können, dann gibt es da nichts zu rütteln.

„Was machen wir dann? Wir können doch nicht drei Tage warten, bis er wieder zurück ist!“, der Besen fing jetzt richtig schlimm an zu weinen. „Wir könnten die Hexe anrufen“, schlug der Toaster vor. „Gute Idee“, sagte das Telefon und wählte die Nummer. Es klingelte. „Ja, wer ist da?“, meldete sich eine knorrige Stimme, die klang wie eine alte Holztür. „Ist da die Hexe?“, fragte das Telefon. „Wer will das wissen?“, fragte die Hexe zurück. „Hier ist das Telefon vom Zauberer. Wir haben einen Notfall, die Zahnbürste lebt nicht mehr.“ „Ja, und?“, fragte die Hexe, die der Meinung war, dass man Sachen auch von Hand machen konnte. Sie fand es ziemlich blöd und unnötig, dass der Zauberer alles in seinem Haushalt verzauberte und fast nichts mehr selbst erledigte. „Der Zauberer ist beim Kongress. Wir dachten, dass du uns helfen kannst, du kannst doch auch zaubern!“, rief der Besen aufgelöst. „Nein, kann ich nicht. Ich verzaubere keine Zahnbürsten. Tut mir leid“, sagte die Hexe und legte auf. Sie legte einfach auf! Unglaublich!

„Wieso hilft sie uns nicht?“, schluchzte der Besen. Die Hexe konnte manchmal echt herzlos sein. „Lass es uns bei der Prinzessin versuchen, die kann doch jetzt auch zaubern“, schlug der Toaster vor. „Gute Idee, weiß jemand ihre Handynummer?“, fragte das Telefon. Leider hatte keiner die Nummer der Prinzessin. „Okay, keine Panik, dann rufe ich im Schloss an. Ich habe die Nummer vom Oberhofmeister“, sagte das Telefon und wählte wieder. Tuut tuut. „Büro des Königs, wie kann ich Ihnen helfen?“, meldete sich eine höfliche Stimme. Der Oberhofmeister war im Schloss für den Tagesablauf des Königs zuständig. „Hier ist das Telefon vom Zauberer. Wir müssen dringend mit der Prinzessin sprechen.“ „Wer ist da?“, rief der Oberhofmeister, der schon sehr alt war und fast taub. „DAS TELEFON VOM ZAUBERER!“, rief das Telefon lauter. „Ein Telefon? Seit wann können Telefone selbst telefonieren?“ Diese neumodischen Erfindungen. Im Schloss gab es so etwas nicht, da hatten sie für alle Aufgaben einfach Personal. „Ich bin verzaubert“, erklärte das Telefon, „Können wir bitte die Prinzessin sprechen?“ „Wir nehmen keine Anfragen von Zauberautomaten an. Bitte entschuldigen Sie“, sagte der Oberhofmeister und legte auf. Das durfte doch nicht wahr sein! Wieso legten heute alle einfach auf? Der Besen setzte sich traurig auf die unbequeme Wartecouch, die im Eingangsbereich des Zaubererturms stand. „Uns wird keiner helfen“, sagte er hoffnungslos und schluchzte leise.

„Ich hab’ eine Idee“, sagte der Toaster, der zum Glück nicht so leicht aufgab. „Ruf’ nochmal im Schloss an, aber lass mich reden.“ Das Telefon nickte und wählte wieder die Nummer. Tuut tuut. „Büro des Königs, wie kann ich Ihnen helfen?“ „Äh, ja, hier ist der Zauberer“, sagte der Toaster mit verstellter Stimme. „Wer ist sauber?“, fragte der schwerhörige Oberhofmeister. „Keiner ist sauber. ICH BIN DER ZAUBERER!“, rief der Toaster.

„Ach, der Herr Zauberer. Guten Tag! Wie kann ich Ihnen helfen?“

„ICH MUSS DIE PRINZESSIN SPRECHEN! ES IST DRINGEND!“

„Die Prinzessin? Aber natürlich, Moment, ich verbinde …“ Es knackte in der Leitung und dann klingelte es wieder.

„Ja, Hallo?“, meldete sich die Prinzessin. „Hallo, hier ist das Telefon vom Zauberer. Gut, dass wir Dich erreichen, wir haben einen Notfall!“, sagte das Telefon erleichtert. Zum Glück konnte der Toaster lügen, wenn es sein musste. Die Prinzessin war sehr hilfsbereit und hatte die verzauberten Sachen vom Zauberer richtig gern. „Einen Notfall?“, fragte sie freundlich. „Ja, die Zahnbürste! Sie lebt nicht mehr!“, rief der Besen von der Couch und musste gleich wieder lauter weinen. „Oh weh, was ist denn passiert?“ Die Prinzessin klang aufrichtig besorgt. Weil der Besen so schlimm weinte, dass er nicht mehr reden konnte, übernahm das Telefon wieder das Reden: „Wir wissen es nicht. Der Besen hat sie vorhin auf dem Fußboden im Bad gefunden. Der Zauber ist einfach weg. Kannst Du sie wiederbeleben?“

Die Prinzessin wusste leider noch nicht, wie man Gegenstände lebendig hexte. Sie lernte das Zaubern ja von der Hexe und die machte solche Sachen nicht. „Ich kann keine Zauber, die sie wieder lebendig machen. Macht Euch aber keine Sorgen, ich komme trotzdem vorbei“, versprach sie, „Wir bekommen das wieder hin. Bin gleich da, okay?“

So ein Glück, auf die Prinzessin war echt verlass. Und tatsächlich dauerte es nicht lange, bis sie auf ihrem Hexenbesen vor dem Turm landete. Der Besen des Zauberers und der Toaster kamen sofort nach Draußen gelaufen und empfingen sie. Vorsichtig nahm die Prinzessin die Zahnbürste in die Hand. Ja, es stimmte, der Zauber in ihr war erloschen. Es war nur noch eine leblose Zahnbürste, wie die von normalen Menschen. Die Prinzessin tröstete erst einmal den Besen: „Hab keine Angst, mein Lieber, wir werden Deine Freundin ganz bestimmt wieder hinbekommen“, sagte sie zuversichtlich. Das beruhigte den Besen etwas. Wenn die Prinzessin sich etwas vornahm, dann schaffte sie das auch.

„Was machen wir, wenn du keinen Zauber kennst, der ihm hilft? Die Hexe haben wir schon angerufen, aber die hat einfach aufgelegt“, sagte das Telefon. „Wenn nur Zauberer wissen, wie man Zahnbürsten lebendig zaubert, dann müssen wir sie eben zu einem Zauberer bringen“, stellte die Prinzessin fest. „Ja, aber die sind doch alle beim Zaubererkongress“, warf der Toaster ein. Die Prinzessin grinste und einen Moment lang sah sie aus, wie die Hexe: „Um so besser! Dann wissen wir ja, wo wir gerade alle Zauberer finden können.“

Damit war klar, was sie zu tun hatten. Die Prinzessin steckte die Zahnbürste behutsam in ihren Beutel und schwang sich wieder auf ihren Hexenbesen. Der Besen des Zauberers kam auch mit. Der Toaster nicht. Er hatte nämlich Flugangst und blieb lieber Zuhause. Die Prinzessin hob ab und schwuhui flogen sie los zum Zaubererkongress.

Der Kongress fand einmal im Jahr statt. Alle Zauberer trafen sich dann in einem Wirtshaus, aßen viel Hausmannskost und diskutierten die wichtigsten und dringendsten Fragen, die gerade anstanden. Zum Glück stand auf der Webseite der Zauberergilde, dass der Kongress dieses Jahr im Wirtshaus „Zur glücklichen Gans“ stattfand. So war es kein Problem für die Prinzessin, den Weg zu finden.


Vor dem Wirtshaus standen kreuz und quer die fliegenden Teppiche und verzauberten Fahrräder der Zauberer. Da war es nicht leicht, noch einen Platz zum Landen zu finden. Kurzerhand stellte die Prinzessin ihren Besen direkt neben der Eingangstür ab und ging dann mit dem Besen des Zauberers rein.

Im Wirtshaus roch es nach Bratwurst und Sauerkraut. Die Zauberer hatten schon früh zu Mittag gegessen und diskutierten gerade angeregt das wichtigste Thema des Tages: Sollte man einen Schnuhzelraum besser mit orangegelbem Licht oder orangerotem Licht zaubern? Das war eine sehr schwierige Frage, denn eigentlich hatten Zauberer gar keinen Sinn für Farben. Für sie waren Farben, wie für andere Menschen Socken: Man nahm einfach irgendwelche aus der Schublade, Hauptsache, die Füße waren warm. Welches Paar genau man nimmt, ist den meisten Leuten egal. Und genauso egal war es Zauberern, welche Farbe etwas hatte. Das führte recht häufig zu sehr eigenwilligen Kombinationen, besonders bei ihren Klamotten. Einen Zauberer erkennt man sofort, weil seine Kleidung mindestens fünf verschiedene Farben hat, die so gut wie nie zusammenpassen.

Das Problem war nun, dass irgendwer gesagt hatte, bei Schnuhzelräumen wäre die Farbe eben nicht egal. Eine ganz bestimmte Farbe würde viel besser funktionieren, als alle anderen. Schnuhzelräume waren zur Zeit total angesagt und viele Zauberertürme hatten schon mindestens einen – sofern sie nicht in einem magischen Brennpunkt standen und sich um andere Sorgen kümmern mussten. Eigentlich waren sie nur ein gemütliches Zimmer mit gedämpften Licht, in dem man sich entspannen konnte. Aber jetzt gerade war keiner der Zauberer entspannt, denn die Frage nach der richtigen Farbe war ein heißes Eisen und die Stimmung schon ziemlich aufgeladen.

„Hallo!“, rief die Prinzessin in die Runde, „Ist Zauselbart da? Wir haben ein Problem!“ Die Diskussion über die richtige Farbe verstummte sofort und alle Zauberer schauten zu der großen schlanken Figur in der Tür. Die Prinzessin war zwar noch jung, aber sie war keine kleine Prinzessin, falls ihr das gedacht habt. Im Gegenteil: Zum einen war sie nicht nur eine Prinzessin, sie war auch eine Hexe. Egal, wie man zu Hexen stand – und Zauberer hatten ein schwieriges Verhältnis zu Hexen – eine Hexe hatte Autorität. Das heißt, dass Leute machen, was man sagt, ohne dass man es überhaupt gesagt haben muss. Zum anderen war die Prinzessin sehr groß. Sie war schon immer größer gewesen, als andere Kinder in ihrem Alter. Seit sie allerdings hexen konnte, zauberte sie sich gerne noch etwas größer, als sie eigentlich war. Das heißt, in der Tür stand eine zwei Meter große junge Frau in schwarzen Hexenklamotten. Das hatte extrem viel Autorität. Die Zauberer jedenfalls hielten die Luft an.

„Zauselbart?“, fragte die Prinzessin noch einmal. Ganz hinten im Raum winkte fröhlich einer der Zauberer. „Hallo Prinzessin! Hier bin ich. Was machst du hier?“ Der Zauberer kannte die Prinzessin schon seit sie ein Baby war und sein echter Name war eigentlich gar nicht Zauselbart. Die Prinzessin nannte ihn nur so, seit sie sprechen konnte. „Wir haben ein Problem. Die Zahnbürste lebt nicht mehr“, sagte die Prinzessin. „Oh, sind zwei Jahren schon wieder um?“, sagte der Zauberer und drängelte sich durch seine Kollegen vor zur Tür. Er wirkte nicht wirklich überrascht oder gar traurig. Die Prinzessin holte die Zahnbürste aus ihrer Tasche und gab sie ihm. Der Zauberer untersuchte kurz den Zauber. „Ja, ist abgelaufen“, stellte er fest. Dann drehte er sich zu einem anderen Zauberer, der noch älter war, als die meisten anderen im Raum.[4] „He, Olaf, dein Zauber ist schon wieder futsch!“

Wie sich herausstellte, wurden alle Zauberer-Zahnbürsten von einem einzigen alten Magier verzaubert: Olaf B. Ohnehut. Er wirkte selbst für einen Zauberer recht zauselig, zum Beispiel, weil er es vorzog, keinen Zaubererhut aufzusetzen. Aber keiner konnte den Zahnbürsten-Zauber so gut wie er. Deswegen zogen es seine Kollegen vor, ihn zu besuchen, statt ihre Zahnbürsten selbst zu verzaubern. Die Verzauberung war allerdings so gemacht, dass sie nur genau zwei Jahre lang hielt. Olaf behauptete, dass das daher kam, dass Zahnbürsten naturgemäß eher wild und abenteuerlustig sind. Immer wieder liefen welche ihrem Zauberer davon und wanderten dann einfach in der Gegend herum. Damit nicht die ganze Welt von verzauberten Zahnbürsten überrannt wird, hatte er zur Sicherheit den Zauber auf zwei Jahre begrenzt. Falls also eine Zahnbürste weglief, hatte der Spuk nach spätestens zwei Jahren ein Ende.[5]

Der wahre Grund war aber ein anderer. Und zwar war Olaf B. Ohnehut nicht gerne alleine. Deswegen hatte er die Idee mit den Zahnbürsten gehabt. Wenn alle zwei Jahre die Verzauberung erneuert werden musste, bedeutete das, dass jeder Zauberer alle zwei Jahre Olaf besuchen musste. Die meisten blieben dann wenigstens auf einen Kaffee, manche sogar für einen ganzen netten Nachmittag. Er nannte das heimlich „geplante Colloquieszenz“. Das ist ein kompliziertes Wort, bedeutet aber einfach nur, dass er gerne Besuch bekam. Das sagte er aber keinem. Offiziell sagte er allen, dass die zeitliche Begrenzung eine Vorsichtsmaßnahme war, falls die Zahnbürste wegläuft.

Gut, dass heute Zaubererkongress war. Das hieß nämlich, dass Olaf auch da war und sogar richtig gute Laune hatte. Beim Zaubererkongress konnte er nämlich drei Tage lang die ganze Zeit mit jemandem reden und außerdem gab es sehr viel leckeres Essen. Er schaute sich die Zahnbürste an. Ja, die Verzauberung war tatsächlich abgelaufen. „Ich kann sie gleich erneuern“, bot er an.

„Ist das dann wieder nur zwei Jahre lang?“, fragte der Besen besorgt. Olaf nickte: „Ja, natürlich.“

Das fand der Besen nicht gut. Seine Zahnbürste sollte kein begrenztes Leben haben. „Kannst du sie nicht unbegrenzt verzaubern? Sie ist meine beste Freundin!“, fragte er daher. Olaf schaute Zauselbart an. Was hatte der nur für vorlaute Werkzeuge? Er hatte schon gehört, dass dieser Besen kaum putzte und die ganze Zeit vor dem Fernseher abhing. Jetzt stellte er sogar noch Forderungen!

„Nein, das geht nicht“, sagte Olaf daher streng.

„Wieso nicht?“, fragte die Prinzessin, höflich, aber auch mit Autorität. Sie war eben eine Hexe und Hexen sind richtig gut darin, die Wahrheit zu erkennen. Der Zauberer sah sie etwas verunsichert an.

„Äh, weil, also … das ist zu gefährlich, wenn der Zauber länger hält. Wenn die Zahnbürste wegläuft …“, versuchte er zu erklären.

„Unsinn“, unterbrach ihn die Prinzessin, deren Hexensinn ihr jetzt ganz klar sagte, dass hier etwas faul war.

„Doch, wirklich“, stotterte Olaf.

„Wirklich Unsinn“, konterte die Prinzessin.

Der alte Zauberer schaute hilflos zu seinen Kollegen. Diese hatten natürlich schon längst geahnt, dass das Quatsch war mit der Sicherheitsvorkehrung. Zauberer verlassen sich nämlich lieber darauf, einen Fehler durch Zauberei einfach wieder gutmachen zu können. Vorsichtig zu sein, ist ihnen viel zu umständlich. „Jetzt sag doch die Wahrheit, alter Freund“, sagte ein anderer Zauberer und klopfte dem armen Olaf aufmunternd auf die Schulter. Da gab es wohl keine Ausreden mehr. „Also gut, ich geb’ es ja zu“, sagte der alte Magier, „ich habe den Zauber wegen der geplanten Colloquieszenz begrenzt.“

„Bitte was?“, fragte die Prinzessin.

„Geplante Colloquieszenz. Das heißt, dass mich meine Kollegen alle zwei Jahre einmal besuchen kommen. Damit ich etwas Gesellschaft habe“, erklärte der Zauberer. Aha, jetzt sagt er die Wahrheit, wusste die Prinzessin mit ihrem Hexensinn und war zufrieden.

Die anderen Zauberer reagierten überraschend positiv auf das Geständnis ihres Kollegen. Einige fanden seine Idee mit der Colloquieszenz sogar richtig spannend. Sofort begannen sie das Konzept zu diskutieren und zu überlegen, wo man das noch nutzen könnte.

„Heißt das, dass du die Zahnbürste doch dauerhaft verzaubern kannst?“, fragte der Besen hoffnungsvoll. Olaf seufzte. „Ja, gut, ausnahmsweise“, sagte er schließlich. „Echt jetzt?“, der Besen konnte sein Glück nicht glauben. Olaf nickte: „Ja.“

Und so wurde die Zahnbürste wieder lebendig gezaubert. Ohne Begrenzung, für immer. „Zahnbürste! Du lebst wieder!“, rief der Besen überglücklich und drücke seine Freundin richtig fest. „Was ist denn los?“, fragte die verwundert, „Wie komme ich hier her? Eben war ich doch noch im Badezimmer.“ Der Besen lachte: „Ach du, das ist eine lange Geschichte. Die erzähle ich dir auf dem Heimweg. Wir müssen jetzt auch los, sonst schaffen wir nicht, alle Folgen der Ziegenserie zu schauen, bevor der Zauberer wieder nach Hause kommt.“ Die Zahnbürste lachte: „Echt? Wir können endlich die Serie mit den Ziegen gucken? Die sehen doch alle aus wie ich!“

Da jetzt wieder alles gut war, flogen sie nach Hause und die Prinzessin schaute mit dem Besen, dem Toaster und der wiederbelebten Zahnbürste die Serie mit den Ziegen. Und es stimmte, die Ziegen sahen ein klein wenig aus, wie die Zahnbürste.


Anmerkungen

  1. Der Zahnteufel hatte es nämlich besonders auf Zauberer abgesehen. Das lag daran, dass er Angst vor Hexen hatte, und deswegen nie zu einer Hexe ging. Damit alles gerecht ist in der Welt, ging er stattdessen extra oft zu Zauberern, die waren so ähnlich wie Hexen, aber weniger gruselig. Aus diesem Grund putzen Zauberer sehr oft die Zähne und die meisten Hexen nicht.
  2. Wie ihr vermutlich schon wisst, putzt der Besen nicht so gerne. Er schaute lieber Fernsehen. Deswegen war es im Zaubererturm jetzt nicht wirklich sauber. Aber es ging schon, besonders, wenn die Zahnbürste dem Besen beim Putzen geholfen hatte. Bei der Hexe war es auf jeden Fall deutlich dreckiger.
  3. Die Zahnbürste mochte nichts, was nicht gut für Zähne ist. Kaffee und Tee färben Zähne gelb und deswegen trank die Zahnbürste so etwas nicht. Irgendwann hatte sie dann im Fernsehen eine Sendung über indische Heilmethoden gesehen. In der wurde gesagt, dass heißes Wasser den Fluss der Magie anregt und deswegen gesund sei. Seitdem trank sie jeden Morgen eine Tasse mit heißem Wasser ohne alles.
  4. Zauberer studieren ja erst 30 bis 40 Jahre, bis sie überhaupt zaubern können. Das heißt, alle Zauberer waren schon ziemlich alt und hatten graue Bärte, manche waren steinalt und hatten dann einen weißen Bart. Nur einer hatte einen orangenen Bart. Er wollte ihn eigentlich rot färben, aber weil er kurz davor einen Schnuhzelraum gezaubert hatte, war er mit den Farben durcheinander gekommen.
  5. Falls ihr also irgendwo eine Zahnbürste findet, wisst ihr jetzt, dass das eine alte Zauberer-Zahnbürste ist. Lasst sie besser liegen und benutzt sie auf keinen Fall. Es könnte gut sein, dass die Freunde dieser Zahnbürste sie noch immer suchen und später wiederbeleben wollen.